Reinhard Knoppka - Kurz gesagt: Aphorismen 3
Kurz gesagt: Aphorismen 3
Aphorismen
Reinhard Knoppka
Beschreibung
Leseprobe: Die Suche nach der Lösung eines Problems ist oft nichts weiter als ein Schwenken des Angelhakens im Trüben. Zukunft: schwangere Gegenwart, deren Vergangenheit zum Humus für sie geworden ist. Kind: Hoffnung für die Zukunft und Enttäuschung, wenn sie eingetreten ist. Gelebtes Leben wird zum Mythos. Natürlich war in der Vergangenheit alles schöner. Sogar ich selber, wie ich feststelle, wenn ich mir meine alten Fotos anschaue. Erwachsensein: die Utopie des Heranwachsenden, der gerade das Paradies seiner Kindheit verliert, ohne es zu merken. Eine Meinung ist nur für den interessant, der sie selber hat. Früher dachte ich, eine Universität sei ein Amt für das Universum, bis ich herausfand, daß sie nur eins für die Uniformierung des Geistes ist. Mode: Galopp hinter etwas her, das sich nicht fassen läßt, weil es sich dauernd ändert. Jugendkult: das Aufbauschen der unterentwickelten Region des Lebens zu seiner Metropole. Jugend: ein Versprechen, das nie eingelöst wird, weil das nur in der Zukunft möglich wäre, wenn sie bereits zur Vergangenheit geworden ist. Die Jugend selbst ist das Versprechen, das sie gibt – und später nicht einlösen kann, da sie sich dann verloren hat. Persönlichkeitsentfaltung: Wuchern eines Charakters, der andere erstickt, wenn sie es zulassen. Die beste Erziehung der Jugend wäre, ihren Widerspruchsgeist auszunutzen: das Gegenteil von dem sagen, was man eigentlich meint. Bei den meisten Jungen ist der Körper auf dem Höhepunkt und der Geist noch im Krabbelalter. Kompensation im Suff: aus Furcht, nicht für voll genommen zu werden, ist er ständig voll. Erwacht der Heranwachsende aus seiner körperlichen Latenz, wird das Sinnliche so dominierend, daß er oft in eine geistige Umnachtung fällt. Zwei Gegensätze gehören zu einem Ganzen, wie die beiden Seiten zu einer Münze. Für fast alles braucht man mittlerweile ein Zertifikat – wann auch für das Leben selbst? Der Verstand steht zum Bewußtsein im Verhältnis, wie der Körper zur Seele. Heute dient das Kreuz auf der Kirchturmspitze nur noch als Blitzableiter.