Reinhard Knoppka - Wucherungen I - Heimjunge und Gottesmann
Wucherungen I - Heimjunge und Gottesmann
Roman
Reinhard Knoppka
Beschreibung
Leseprobe: Plötzlich war der Duft wieder da, zog sich, anfangs nahezu unmerklich, wie eine betörende Musik, wohlriechend und Glücksmomente freisetzend, wie man sie beim Wiederhören altbekannter Melodien erlebt, durch alle Räume, parfümierte sie gleichsam mit einem ätherischen Balsam, diesem wohlvertrauten Lindenblütenduft, der ganz verschwunden gewesen und auf einmal aus dem Vergessen wieder aufgetaucht war, erst kaum bemerkt, ein mattes Aroma, hineingeschlichen ins Hier und Jetzt, dann sich entfaltend, anschwellend, überwältigend – doch da klang es wieder ab, verflüchtigte sich, und Ründeroth lief ihm hinterher, mit geblähten Nüstern, auf der Suche nach dem Verlorenen, durch die Küche, hinaus auf die Loggia, wo ihm die schwüle Ausdünstung des Regens der vergangenen Nacht entgegenschlug, der noch als hoher Feuchtigkeitsgehalt in der Luft hing, während der Asphalt schon getrocknet war, auch das Laub der Linden, aus dem die Nässe verdunstete, die den schlummernden Geist der Bäume wieder freigesetzt hatte, ihren Blütenduft, der jetzt erneut anschwoll und wie eine berückende Klangwelle über ihn hinwegströmte.