Reinhard Knoppka - kurz gesagt: Aphorismen 7
kurz gesagt: Aphorismen 7
Aphorismen
Reinhard Knoppka
Beschreibung
Der Sensible geht in der Masse unter und scheut sie wie eine Schlangengrube. Intelligenz ist das Organ zum Denken, wie das Auge das zum Sehen ist, und kann auch von einer Art grauem Star befallen werden. Den meisten Zeitgenossen erscheint das Talent als Genie und das Genie als Talent. Sommerliche Blumenwiese: stille Fülle. Inbesitznahme: Vergewaltigung, die sich als Liebe ausgibt. Vollendung: ein Geschenk, das man sich erarbeiten muß. Der Ausgezeichnete macht etwas hervorragend – der Mittelmäßige versucht es richtig zu machen. Der psychologische Roman zeigt seine Figuren nicht körperlich, sondern seelisch nackt. Soziologie: Wissenschaft vom menschlichen Zusammenleben – Literatur: Gemälde davon. Sollten die Menschen den Sprung ins Höhere schaffen, werden die Zukünftigen auf die Heutigen wie auf Mörderaffen herabblicken. Mancher beruft sich auf seine Erfahrungen und unterschlägt seine Vorurteile. Das Trauma selbst wird nicht erinnert, generiert aber verzerrte Sichtweisen, die man für wahr hält und vehement verteidigt. Der moderne Staat funktioniert nicht, weil er ein Heer von Beamten benötigt: Rädchen im Getriebe, die sich für Herrgötter halten und sich gegenseitig blockieren, bis sich die Maschine in sich selber festgefressen hat. Reifezeugnis: Hörigkeitszertifikat künftiger Staatsdiener. „Teamgeist“: Widerspruch in sich – Geist offenbart sich nicht im Team, sondern im Kopf. Sich auf die Justiz einlassen: in die Haut der Milchkuh schlüpfen und sich auch noch aufs Glatteis begeben. Der radikale Linke bricht sich gewaltsam den Weg durch die komplizierte Realität: direkt auf seine einfach gestrickte Utopie zu – und landet im Chaos. Dumpfe sehen im Trivialen den Sinn und Sensible im Undurchschaubaren einen Schleier vor dem Geheimnis. Entwickelte Länder leben auf Kosten der Entwicklungsländer, denen sie Entwicklungshilfe geben. Das Ende einer Gesellschaft bahnt sich an, wenn sie ihre Fiktion für die Realität hält. Vieles ist verboten, aber nicht das Schaffen von Bedürfnissen: die hängen den Menschen an den Tropf von denen, die eigennützig Verbote erlassen. Wer befreit die Menschen von ihren Befreiern? Die moderne Welt ist schon genauso rostig und rissig wie ihre Betonbauten: Unkraut in bröckelnden Platten, als fasse die vertriebene Natur wieder Fuß.